Die staatliche Aufgabenverteilung im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland und gegenüber der Europäischen Union (EU)
von Karl-Heinz Hense
Staatliche Aufgaben sind in der Bundesrepublik zwar häufig zentral definiert, ihre Erledigung wird jedoch unterschiedlichen Ebenen zugewiesen, die ihrerseits im Rahmen der jeweils geltenden Gesetze auch eigene Aufgaben definieren und wahrnehmen. Zudem hat die Bundesrepublik als Mitglied der Europäischen Union (EU) eine Reihe von Kompetenzen an die EU abgegeben, etwa den gesamten Bereich der staatlichen Unterstützung und Steuerung landwirtschaftlicher Produktion. Insofern ist genau zu differenzieren zwischen den jeweiligen staatlichen und administrativen Ebenen, die für die Erledigung von gesetzlich definierten Aufgaben zuständig sind.
Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
Zur klassischen „horizontalen“ Gewaltenteilung (Legislative – Exekutive – Rechtsprechung) kommt im föderativen System eines Bundesstaates die „vertikale“ Gewaltenteilung zwischen Gesamtstaat und Einzelstaaten hinzu, d.h. jede der drei Gewalten ist nochmals zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Es besteht also eine „doppelte Gewaltenteilung“. Die Art und Weise der Aufgliederung und die Verteilung der Gewichte geben dem jeweiligen Bundesstaat seine eigene, politisch gewollte Prägung und Charakteristik: Schwacher Bund und starke Länder – oder umgekehrt; viel Einheitlichkeit und wenig Vielfalt – oder umgekehrt; zentrale Lenkung und wenige dezentrale Korrekturmöglichkeiten – oder umgekehrt; zentraler Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Leistungsstärken der Länder und wenig Anreize, aus eigener Kraft, durch Wettbewerb (kompetitiv), voranzukommen – oder umgekehrt.
Die Aufteilung der Aufgaben kann in der Weise vorgenommen werden, daß entweder der Gesamtstaat oder die Gliedstaaten für bestimmte Sachbereiche umfassend zuständig sind, also jeweils die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung dafür übernehmen. Dieses Prinzip gilt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Unser Grundgesetz wendet ein komplizierteres System an: Es werden nicht ganze Sachgebiete entweder dem Bund oder den Ländern zugesprochen, sondern nur Teilfunktionen für das jeweilige Sachgebiet, also die Gesetzgebung beispielsweise dem Bund, die Verwaltung für dasselbe Gebiet den Ländern und die Rechtsprechung Bund und Ländern gemeinsam. Rein technisch geht die Verfassung dabei so vor, daß sie die Zuständigkeiten des Bundes jeweils einzeln aufzählt. Wenn es eine solche ausdrückliche Zuweisung an den Bund nicht gibt, dann sind die Länder zuständig. Artikel 30 Grundgesetz lautet: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.“
Aus dieser Bestimmung, die eine Zuständigkeitsvermutung für die Länder enthält, darf indessen keineswegs gefolgert werden, den Ländern sei Vorrang bei der Übernahme staatlicher Aufgaben zugedacht worden. Das Grundgesetz hat vielmehr, indem es eine „andere Regelung trifft oder zuläßt“, die Schwerpunkte bei den einzelnen Staatsgewalten unterschiedlich gesetzt. Verallgemeinernd kann man sagen:
– Für die Gesetzgebung ist auf den meisten Gebieten der Bund zuständig („unitarische Gesetzgebung“).
– Die Verwaltung ist grundsätzlich Ländersache („föderative Verwaltung“).
– Bei der Rechtsprechung sind Bund und Länder eng miteinander verzahnt.
Diese Aufgabenverteilung gibt dem Bund eine starke Stellung; denn mit der umfassenden Gesetzgebungshoheit kann er bundeseinheitliche Normen für alle Länder und alle Bürger bestimmen. Da der moderne Staat fast alle Lebensbereiche durch Gesetze regelt und gestaltet, hat der Bund mit dem Schwergewicht bei der Gesetzgebung zugleich auch das Schwergewicht staatlichen Handelns überhaupt erhalten. Die Länder sind schwächer. Sie können allerdings – und das ist ein wichtiger Ausgleich – über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken: Bundesgesetze, die die Belange der Länder in besonderer Weise berühren, können nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.[1]
Die Gesetzgebung – Gewichtung zugunsten des Bundes
Die Gesetze werden in der Bundesrepublik Deutschland ganz überwiegend vom Deutschen Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrates und nicht in den Landesparlamenten beschlossen. Der Bund hat für die meisten Gebiete die Gesetzgebungszuständigkeit, und er nimmt sie auch in den Fällen voll wahr, in denen er den Ländern durchaus noch Spielraum für Landesgesetze lassen könnte. Das Grundgesetz hat das Gesetzgebungsrecht des Bundes nämlich eigentlich abgestuft.
Es kann Regelung bis in alle Einzelheiten sein, sich bei bestimmten Sachgebieten aber auch auf die Festlegung von Grundzügen beschränken und dementsprechend Landesgesetze entweder völlig ausschließen oder ergänzend zulassen.
Die Gesetzgebung des Bundes
Der Bund hat die Zuständigkeit zur Gesetzgebung nur für solche Gebiete, für die sie ihm vom Grundgesetz ausdrücklich übertragen worden ist. Der Bund muß einen „Titel“ haben, sonst sind die Länder zuständig. Nur ausnahmsweise kann sich auch der Bund auf ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkeiten berufen. Nämlich auf die „Zuständigkeit kraft Sachzusammenhang“, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie offensichtlich nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird. Die Mitregelung muß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber „unerläßlich“ sein, und damit kann sie nur ganz selten zum Zuge kommen; die bloße Zweckmäßigkeit einer gleichzeitigen Regelung reicht nicht aus.
Die zweite Ausnahme ist die ebenfalls nur äußerst eingeschränkt denkbare Zuständigkeit kraft „Natur der Sache“, die zum Beispiel für Regelungen über die Symbole des Bundes, seine Dienstsiegel, die Nationalhymne und so weiter in Anspruch genommen werden könnte.
Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes
Für bestimmte Sachgebiete, die im Interesse des Gesamtstaates und seiner Bürger bundeseinheitlich geregelt sein sollen, weist das Grundgesetz dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zu.[2] Die Länder dürfen für solche Sachgebiete nur dann Gesetze erlassen, wenn und soweit einzelne Bundesgesetze sie dazu ausdrücklich ermächtigen.
Zur ausschließlichen Gesetzgebung gehören zum Beispiel: Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Staatsangehörigkeit im Bund, Währung, Maße, Gewichte, das Postwesen und die Telekommunikation, Zoll- und Grenzschutz.
Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes
Bei einer Vielzahl von Sachgebieten dürfen Bund und Länder gesetzgeberisch „konkurrieren“. Dem Bund ist allerdings ein Vorrang eingeräumt. Die Länder dürfen hier Gesetze nur erlassen, wenn und soweit der Bund nicht die gleichen Gegenstände durch Gesetze regelt. Voraussetzung für ein Bundesgesetz ist nach dem Wortlaut von Artikel 72 des Grundgesetzes ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung. Drei Gründe werden dafür angeführt:
– Eine Angelegenheit kann durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden.
– Die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz könnte die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen.
– Die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus erfordert bundeseinheitliche Regelungen.[3]
Diese Voraussetzungen hätten eigentlich Schranken für den Bundesgesetzgeber sein sollen. Sie sind es jedoch nicht gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich schon 1953 entschieden, daß diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht Gegenstand richterlicher Beurteilung sind, sondern im pflichtmäßigen Ermessen des Bundesgesetzgebers liegen. Dieser „Freibrief“ hat in der Praxis dazu geführt, daß die konkurrierende Gesetzgebung fast ausnahmslos vom Bund in Anspruch genommen wurde. Außerdem hat der Bund von seiner Kompetenz jeweils umfassend Gebrauch gemacht und kaum noch Raum für „konkurrierende“ Gesetze der Länder gelassen. Die konkurrierende Gesetzgebung ist also praktisch zu einer ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes geworden. Die Gesetzgebungsmöglichkeiten der Landtage sind so sehr viel stärker eingeengt worden, als es den Vorstellungen des Parlamentarischen Rates, also den Überlegungen der „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ entsprach.
Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung[4] sind zum Beispiel: Bürgerliches Recht (Vertragsrecht, Eigentum, Familienrecht, Erbrecht), Strafrecht, Prozeßrecht, Vereins- und Versammlungsrecht, Ausländerrecht, öffentliche Fürsorge, Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen), Kernenergie, Arbeitsrecht, Ausbildungsbeihilfen, Kartellrecht, Straßenverkehr, Seuchenschutz, Arzneimittelrecht, Wohnungswesen, Tierschutz, Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Gentechnik beim Menschen, Organtransplantation, Besoldung und Versorgung des Öffentlichen Dienstes.
Rahmengesetzgebung des Bundes
Der Bund kann für bestimmte Bereiche Rahmenvorschriften erlassen, also die Umrisse und inhaltlichen Grundzüge für „ausfüllende“ Landesgesetze festlegen.[5]
Auch hier verlangt das Grundgesetz ein Bedürfnis für bundeseinheitliche Vorschriften nach den gleichen Voraussetzungen wie bei der konkurrierenden Gesetzgebung.
Beispiele für die Rahmenkompetenz sind: Recht des öffentlichen Dienstes der Länder und Gemeinden, allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens, allgemeine Rechtsverhältnisse von Presse und Film, Naturschutz, Landschaftspflege, Raumordnung, Wasserwirtschaft, Melde- und Ausweiswesen.
Den Ländern verbleibt hier die Möglichkeit, die Einzelheiten innerhalb des vom Bund gesetzten Rahmens selbst zu entscheiden. Das „Raumordnungsgesetz“ des Bundes enthält also nur allgemeine Regeln; die eigentliche Strukturplanung für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern ist dagegen Sache jedes einzelnen Landes. Es gibt allerdings auch viele Rahmengesetze, die den Ländern kaum noch Spielraum für eigene Entscheidungen lassen – der Bund macht nämlich auch von dieser Gesetzgebungszuständigkeit einen sehr eingehenden Gebrauch.
Grundsatzgesetzgebung des Bundes
Für drei Sachgebiete ermächtigt das Grundgesetz den Bund, Grundsätze aufzustellen, die dann für die Organe des Bundes und der Länder maßgebend sind. Wie bei der Rahmengesetzgebung soll der Bund auch hier die Materie nicht bis in alle Einzelheiten, sondern nur in ihren Grundzügen regeln.
Die drei Anwendungsfälle sind: Gemeinsame Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung des Bundes und der Länder;[6] allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern[7] sowie Grundsätze für Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften.[8]
Die Gesetzgebung der Länder
Die Länder sind für die Gesetzgebung zuständig, soweit dem Bund das Gesetzgebungsrecht in der Bundesverfassung nicht übertragen worden ist. Diesen für die gesamte Staatstätigkeit geltenden Grundsatz wiederholt das Grundgesetz bei den Regeln für die Gesetzgebung: Artikel 70, Absatz 1 Grundgesetz: „Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.“
Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, die Länder hätten auf diese Weise weitreichende Gesetzgebungsmöglichkeiten, die nur durch die Einzelzuweisungen für den Bund eingeschränkt seien. In Wirklichkeit ist es jedoch genau umgekehrt. Den Ländern ist praktisch nur noch ein Restbestand verblieben. Dem Bund wurde schon 1949 die Zuständigkeit für fast alle damals wichtigen Bereiche zugewiesen. Bei der konkurrierenden Gesetzgebung wäre zwar Raum für Landesgesetze gewesen, den der Bund den Ländern jedoch nicht überlassen hat. Er hat von seinem Rechtsetzungsrecht in nahezu allen Fällen Gebrauch gemacht und dabei jeweils Vollregelungen geschaffen, die regionales Recht praktisch ausschließen.
Hinzu kam, daß nach 1949 entstandene oder in ihrer Bedeutung gestiegene Aufgaben nicht den Landesgesetzgebern überlassen, sondern oftmals dem Bund durch Verfassungsänderung zugewiesen wurden. Das Grundgesetz ist mehr als dreißigmal geändert worden. Die meisten Neuerungen betrafen das Bund-Länder-Verhältnis. Gesetzgebungszuständigkeiten wurden stets dem Bund, niemals den Ländern übertragen.
Neu entstandene Aufgaben erhielt der Bund durch die Wehrverfassung, die Notstandsverfassung sowie auf den Gebieten der Kernenergie, des Luftverkehrs und der Gentechnik. Bedeutsam gewordene Bereiche wurden ihm mit der Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung auf dem Gebiet des Umweltschutzes übertragen; mit dem Hochschulrahmengesetz und der Ausbildungsförderung auf dem Bildungssektor; sowie im finanziellen Bereich mit der Krankenhausförderung, der Besoldungsregelung für Landesbeamte sowie der Forschungsförderung;[9] und nicht zuletzt mit den Gemeinschaftsaufgaben für den Ausbau und Neubau von Hochschulen, der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.[10]
Den Ländern steht die Gesetzgebung für folgende Sachbereiche noch fast geschlossen, also ohne übergeordnete Bundesvorschriften, zu:
– Kulturelle Angelegenheiten, insbesondere Schulwesen; Rundfunk und Fernsehen;
– Kommunalwesen, also das Organisationsrecht für Städte, Gemeinden und Landkreise;
– Polizeirecht, das sind die allgemeinen Regeln für die staatliche Ordnungsverwaltung und ihre Organisation. Darunter fällt nicht nur die sogenannte Vollzugspolizei, sondern auch der Teil der Verwaltung, der Gefahren abzuwehren hat, durch welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird (Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht, Gesundheits- und Veterinärwesen u.a.).
Durch die Rahmengesetzgebung des Bundes beschränkte, aber gleichwohl bedeutende Gesetzgebungszuständigkeiten haben die Länder für die Sachgebiete
– Landesplanung, also die strukturelle Entwicklung des Landes – etwa die Entwicklung der ländlichen Räume und die Entflechtung der Ballungsgebiete;
– Naturschutz und Landschaftspflege;
– Wasserrecht.
Die Parlamente der Länder haben natürlich auch das Budgetrecht, also die Zuständigkeit für den
– Landeshaushalt, allerdings fast nur noch auf der Ausgabenseite, da das Steueraufkommen zu rund neunzig Prozent auf Bundesgesetzen beruht.
Wenn die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder zugunsten des Bundes auch stark eingeschränkt worden sind, so sind doch Sachbereiche übriggeblieben, die durchaus noch eigenständige Landespolitik durch Landesgesetze ermöglichen.
Beispiele für Landesgesetzgebung sind: Landesverfassung, Landeswahlgesetz, Landesorganisationsgesetz, Landesverwaltungsverfahrensgesetz, Kreisreformgesetz, Gemeindeordnung, Landkreisordnung, Kommunalwahlgesetz, Polizeigesetz, Landesbauordnung, Feuerwehrgesetz, Gesetz über den Rettungsdienst, Katastrophenschutzgesetz, Krankenhausgesetz, Kindergartengesetz, Bestattungsgesetz, Landesentwicklungsprogramm, Mittelstandsförderungsgesetz, Wohnungsbauförderungsgesetz, Landesstraßengesetz, Fischereigesetz, Architektengesetz, Ingenieurgesetz, Gesetz über Sonn- und Feiertage, Nachbarrechtsgesetz, Schulgesetz, Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern, Landespressegesetz, Gesetz über Rundfunkanstalten, Denkmalschutzgesetz, Landeshaushalt, Landesgebührengesetz, Kommunalabgabengesetz, Sportwettengesetz.
Beispiele für Rahmengesetze des Bundes: Universitätsgesetz, Landesbeamtengesetz, Meldegesetz, Landesnaturschutzgesetz, Landesforstgesetz, Landesjagdgesetz.
Exekutive – Gewichtung zugunsten der Länder
Die Exekutive, die verständlicher, aber unvollkommen als vollziehende Gewalt bezeichnet wird, umfaßt zwei Tätigkeitsformen: die Regierungstätigkeit und die Verwaltungstätigkeit. Beide zusammen machen sie von der gesamten Staatstätigkeit den Bereich aus, der weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist.
Die Regierungstätigkeit ist die Ausübung politischer Führungs- und Leitungsaufgaben. Sie gibt die Richtung auf bestimmte politische Ziele sowohl für die Gesetzgebung als auch für die Verwaltung an und plant die Gestaltung der Lebensverhältnisse in wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder außenpolitischer Hinsicht. Sie ist dabei an Verfassung und Gesetze gebunden – darf also nicht rechtswidrig handeln. Andererseits aber ist die Regierung zu politischer Aktivität aufgefordert; von ihr wird zukunftsorientiertes Handeln erwartet und nicht nur der bloße Vollzug bestehender Gesetze.
Demgegenüber ist die Verwaltung – der andere Zweig der Exekutive – die zum Vollzug der Gesetze eingesetzte Staatsmacht. Aber die Verwaltung erschöpft sich nicht im bloßen Gesetzesvollzug, der in Freiheit und Eigentum des Bürgers eingreift und in Geboten oder Verboten besteht. Der Staat, zumal der moderne, ist „Leistungsstaat“, der „Daseinsvorsorge“ betreibt, der also fördert, pflegt, gewährt und plant. Diese Tätigkeit nach Ermessen oder ohne konkrete gesetzliche Vorschriften gehört als Leistungsverwaltung und Planung ebenfalls zum Bereich der Verwaltung. Beispiele sind etwa die Unterhaltung von Schulen, Hochschulen und Theatern oder die staatliche Förderung von Industrieansiedlungen zur geplanten Verbesserung der Wirtschaftsstruktur einer Region.
Die Exekutive des Bundes: Regierungstätigkeit
Die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes sind zugleich auch die äußerste Grenze für seine Exekutiv-Befugnisse. Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeit fallen aber nicht zusammen.
Das politische Leitungs- und Führungsorgan des Bundes ist die Bundesregierung. Sie darf auf allen Gebieten „regieren“, auf denen dem Bund die Gesetzgebungs- oder Verwaltungszuständigkeit zusteht. Da der Bund für fast alle wichtigen Lebensbereiche der Gesetzgeber ist, reicht auch das Tätigkeitsfeld der Bundesregierung weit. Es schließt die Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Währungspolitik ein und erstreckt sich über die Wirtschaftspolitik, Arbeitsrecht, Zivilrecht, Strafrecht, Umweltschutz bis zur Familien- und Sozialpolitik, um nur wenige Stichworte zu nennen.
Die Regierung hat auf diesen Gebieten Gesetze vorzuschlagen, Rechtsverordnungen zu erlassen, politische Grundfragen zu entscheiden, Abmachungen mit ausländischen Staaten zu vereinbaren oder auch Einfluß auf die öffentliche Meinung und die gesellschaftlichen Kräfte zu nehmen. Außerdem hat die Bundesregierung zum Vollzug der Bundesgesetze Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die bundeseigenen Behörden einzurichten und zu überwachen. Ferner hat sie über die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder die Aufsicht zu führen.
Verwaltungstätigkeit des Bundes
Reine Verwaltungsaufgaben hat das Grundgesetz dem Bund nur für wenige Sachgebiete übertragen.[11] Verwaltung ist im allgemeinen Ländersache. Selbst die Bundesgesetze werden ganz überwiegend durch die Behörden der Länder (einschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände) und nicht durch Bundesbehörden ausgeführt.[12]
Verhältnismäßig viele Behörden besitzt der Bund auf der sogenannten Zentralstufe, also „an der Spitze“, mit Sachzuständigkeiten für das ganze Bundesgebiet. Hierzu gehören die obersten Bundesbehörden wie zum Beispiel das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien, der Bundesrechnungshof und sogenannte Bundesoberbehörden wie zum Beispiel das Bundeskriminalamt, das Umweltbundesamt, das Bundeskartellamt oder das Statistische Bundesamt. Vergleichbar damit ist auch die sogenannte mittelbare Bundesverwaltung, die der Bund durch eigene Körperschaften und Anstalten ausführen läßt. Hierzu zählen die Bundesanstalt für Arbeit mit den zur Bundesverwaltung gehörenden Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Deutsche Bundesbank.
Einen eigenen Verwaltungsunterbau mit Mittel- und Unterbehörden besitzt der Bund nur für den Auswärtigen Dienst, für die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeswasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung, die Bundespost, die Bundesbahn, die Bundeswehrverwaltung[13] und für den Bundesgrenzschutz.
Für die Bundesbehörden schreibt die Verfassung in Artikel 36 als Ausdruck guten föderativen Stils die Verwendung von Bediensteten aus allen Ländern vor, und die landsmannschaftlichen Verhältnisse müssen auch bei den Wehrgesetzen berücksichtigt werden.
Mittelbar sind die Länder außerdem über den Bundesrat an der Außenpolitik beteiligt.
Die außenpolitischen Zuständigkeiten der Bundesländer kommen auch bei der Europäischen Union zum Ausdruck. Die Länder haben einen Landesbeamten zum „Vertreter der Länder bei der Europäischen Union“ bestellt. Außerdem sind die einzelnen Bundesländer im europäischen „Ausschuß der Regionen“ vertreten und unterhalten Informationsbüros in Brüssel, die die Dienststellen der EU über das Land und das Land über die Aktivitäten der EU – insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet – unterrichten. Die Bundesregierung ist darüber hinaus seit 1986 zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und den Ländern bei solchen Vorhaben der EU verpflichtet, die „ganz oder in einzelnen Bestimmungen ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren“.[14]
Die Exekutive der Länder: Regierungstätigkeit
Ebenso wie beim Bund ist auch im Länderbereich die Exekutive in die Regierungstätigkeit und die reine Verwaltungstätigkeit aufgeteilt.
Die Landesregierung, die in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg „Senat“ heißt, hat Führungs- und Leitungsaufgaben in den Sachbereichen, die der Landesgesetzgebung oder Landesverwaltung unterliegen. Also vor allem auf kulturellem Gebiet (Schulen, Hochschulen, Theater, Museen, Sport, Rundfunk und Fernsehen), bei der Polizeiorganisation, im Gemeinderecht, in dem für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung so wichtigen Gebiet der Landesplanung (Industrieansiedlung, Stadtplanung, Verkehrserschließung) und nicht zuletzt in den „gesetzesfreien“ Bereichen des modernen Leistungsstaates bei der Familien-, Bildungs- und Sozialpolitik. Zur Regierungstätigkeit zählt aber auch die Mitwirkung im Bundesrat; denn die Länder werden dort durch Mitglieder ihrer Regierung vertreten.
Verwaltungstätigkeit der Länder
Das Grundgesetz wollte Mammutbehörden vermeiden, die fernab vom unmittelbaren Geschehen in einer Zentrale am grünen Tisch entscheiden. Die Verwaltungsaufgaben sind deshalb im wesentlichen den Ländern übertragen worden.[15]
Landesgesetze werden grundsätzlich immer von Landesbehörden (einschließlich der Behörden von Gemeinden und Gemeindeverbänden) vollzogen. Über diesen Gesetzesvollzug hinaus eröffnen sich aber im Bereich der Leistungsverwaltung und Planung gerade im Landesbereich vielfältige Aufgaben und Möglichkeiten. Hier wird Artikel 30 des Grundgesetzes anschaulich, nach dem die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt. Öffentliche Einrichtungen zu schaffen und Dienstleistungen für die Daseinsvorsorge zu erbringen, heißt in erster Linie Länderverwaltung, insbesondere Gemeindeverwaltung.
Beispiele sind: Kindergärten, Schulen, Volkshochschulen, Bibliotheken, Krankenhäuser, Altersheime, Jugendzentren, Freizeitprogramme, Fremdenverkehrswerbung,
Förderung des Sports, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Müllabfuhr, Beratungsstellen, Landesstraßen und viele „gesetzesfreie“ Tätigkeiten mehr.
Die Verwaltungsbehörden der Länder führen aber auch die meisten Bundesgesetze durch. Sie tun es entweder „im Auftrag des Bundes“ oder als „eigene Angelegenheit“. Auftragsverwaltung[16] besteht nur für einen kleinen Kreis von Verwaltungsaufgaben. Der Bund kann den Landesbehörden hierbei Weisungen erteilen, sich also in alle Einzelheiten einmischen; er muß bei staatlichen Einrichtungen dann aber auch die Kosten tragen. Auftragsangelegenheiten sind zum Beispiel: Verwaltung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen; Verwaltung von Bundeswasserstraßen; Durchführung von Geldleistungsgesetzen, wenn der Bund mindestens die Hälfte der Ausgaben trägt; Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung (Genehmigung von Flughäfen); Aufgaben auf dem Gebiet der Kernenergie (Genehmigung von Kernkraftwerken und Anlagen zur Lagerung oder Wiederaufbereitung radioaktiver Stoffe).
Die meisten Bundesgesetze werden von den Ländern als „eigene Angelegenheiten“ vollzogen.[17] Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes sind hierbei schwächer als bei der Auftragsverwaltung. Die Aufsicht erstreckt sich nur auf die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen, nicht auch auf deren Zweckmäßigkeit. Wenn beim Vollzug mehrere Möglichkeiten „rechtmäßig“ sind, dann darf das Land die Auswahl treffen; der Bund kann die Entscheidung nicht mit der Begründung aufheben, eine andere Entscheidung wäre besser, „zweckmäßiger“ gewesen. Die Länder sind deshalb selbst beim Vollzug von Bundesgesetzen nicht nur schlichte ausführende Organe, sondern sie können durchaus eigene Erwägungen einbringen und echte Entscheidungen treffen. Mit der Zuständigkeit für die Ausführung der Bundesgesetze haben die Länder deshalb einen wichtigen Bereich der Staatstätigkeit im Bundesstaat übertragen erhalten.
Anwendungsfälle sind: Umweltschutz, Sozialhilfe, Jugendhilfe, Stadtsanierung, Baurecht (Baugenehmigung), Straßenverkehrsrecht (Führerschein-Erteilung, Zulassung von Kraftfahrzeugen, Aufstellung von Verkehrszeichen), Ausländerrecht (Aufenthaltserlaubnisse, Ausweisungen), Wohnungswesen (Wohngeld, Zuweisung von Sozialwohnungen), Ausweiswesen (Ausstellung und Verlängerung von Personalausweisen), Personenstandswesen (standesamtliche Trauung) und überhaupt die meisten Bundesgesetze.
Rechtsprechung: verzahnt zwischen Bund und Ländern
Bei der Dritten Gewalt, der Rechtsprechung, sind die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern noch stärker vermischt als bei der Gesetzgebung und Verwaltung.[18]
Es gibt einen Instanzenzug zwischen Bund und Ländern.[19] Die Prozesse beginnen bei Gerichten der Länder; sie enden – falls Rechtsmittel eingelegt werden – bei Gerichten des Bundes. Bei den fünf Gerichtszweigen führt nämlich der „Rechtsweg“ von einer größeren Zahl von Ländergerichten jeweils zu einem „Obersten Bundesgericht“. Dieses kann rechtsfehlerhafte Entscheidungen der Ländergerichte aufheben und so für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung dieses Gerichtszweiges im gesamten Bundesgebiet eintreten.
Für einige Sonderrechtsgebiete können nach dem Grundgesetz zu Lasten der sonst bestehenden Länderzuständigkeit Gerichte des Bundes geschaffen werden. Dann entfällt die Verzahnung mit Landesgerichten. Für den gewerblichen Rechtsschutz ist dies mit dem Bundespatentgericht in München geschehen. Für Bundesbedienstete bestehen erstinstanzliche Disziplinargerichte des Bundes. Außerdem enthält die Verfassung die Ermächtigung, „Wehrstrafgeriche für Streitkräfte“ einzurichten. Sie könnten die Strafgerichtsbarkeit aber nur im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind.
Die fünf Gerichtszweige, zu denen die Verfassungsgerichtsbarkeit hinzukommt, sind:
1. Ordentliche Gerichtsbarkeit
Sie ist gegliedert in die Zivilgerichte (zum Beispiel Prozesse um Verträge, Schadensersatz, Ehescheidungen, Erbrecht) und Strafgerichte.
Instanzen:
– Amtsgericht
– Landgericht
– Oberlandesgericht (Berlin: Kammergericht)
– Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
2. Verwaltungsgerichtsbarkeit
Diese Gerichte haben über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Verwaltungsbehörden zu entscheiden und können „Verwaltungsakte“ notfalls aufheben.
Instanzen:
– Verwaltungsgericht
– Oberverwaltungsgericht (in manchen Ländern:
Verwaltungsgerichtshof)
– Bundesverwaltungsgericht in Berlin.
3. Arbeitsgerichtsbarkeit
Hier wird über Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen, über die Rechtmäßigkeit von Kündigungen und von Arbeitskampfmaßnahmen entschieden.
Instanzen:
– Arbeitsgericht
– Landesarbeitsgericht
– Bundesarbeitsgericht in Kassel.
4. Sozialgerichtsbarkeit
Wenn es um Streitigkeiten aus der Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie aus der Kriegsopferversorgung geht, sind die Sozialgerichte zuständig.
Instanzen:
– Sozialgericht
– Landessozialgericht
– Bundessozialgericht in Leipzig.
5. Finanzgerichtsbarkeit
Steuer- und Zollsachen werden im Streitfall von den Finanzgerichten entschieden.
Es gibt nur zwei Instanzen:
– Finanzgericht
– Bundesfinanzhof in München.
Verfassungsgerichte des Bundes und der Länder
Wichtig für das Bund-Länder-Verhältnis ist außerdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es wird mitunter sogar als „Garant des Bundesstaates“ gewertet, weil es neben anderen „Verfassungsstreitigkeiten“ Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder verbindlich entscheiden kann. Nur wenn es um die Anwendung der Verfassung geht, ist es zuständig. Es kann dann auch die Entscheidung eines obersten Bundesgerichts verfassungsrechtlich überprüfen, ist aber trotzdem nicht eine noch höhere Stufe im „Instanzenzug“, sondern ein eigenständiges Verfassungsorgan mit Gerichtsfunktion ohne „Untergerichte“. Auch zu den Verfassungsgerichtshöfen der Länder besteht keine Instanzenverbindung. Diese Gerichte, die in manchen Ländern Staatsgerichtshof heißen, haben auf Landesebene vielmehr die gleiche Aufgabe wie das Bundesverfassungsgericht im Bund: Sie sind für Streitigkeiten zuständig, die bei der Anwendung der Landesverfassung entstehen.
Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die EU
Durch die Verträge der Europäischen Union, die im Maastrichter Vertrag von 1992 zusammengefaßt sind, werden bestimmte Politikbereiche auf europäischer Ebene zusammengeführt. Dies hat zur Folge, daß die Kompetenzen der Mitgliedstaaten in den Gemeinschaftspolitiken der EU an die europäische Ebene abgegeben oder teilweise abgegeben werden.
Die Entscheidungen über die allgemeinen politischen Leitlinien für das europäische Einigungswerk trifft der Europäische Rat, in dem die Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammenkommen. Die Einzelentscheidungen über die Gemeinschaftspolitiken trifft der Rat der Minister auf Vorschlag der Kommission, die ebenfalls für die Durchführung und Überwachung der Ratsentscheidungen zuständig ist. Das Europäische Parlament hat weitgehende Mitentscheidungs-, Beratungs- und Kontrollrechte.
Die eigenständigen, nationalen Kompetenzen übergeordneten Zuständigkeiten der EU beziehen sich insbesondere auf wirtschaftliche Ziele im Bereich des gemeinsamen Binnenmarktes, der zu einer Wirtschafts- und Währungsunion ausgebaut werden soll. Gemeinschaftliche Politiken haben sich inzwischen vor allem in den Bereichen der Landwirtschaft, des Verkehrs und der transeuropäischen Netze, der Forschung und Technologie sowie in der Industriepolitik ausgebildet.
Die Beschlüsse des Ministerrates haben unterschiedliche Bindungskraft für die Mitgliedstaaten. Die „Verordnungen“ setzen gleiches Recht für alle, „Richtlinien und Entscheidungen“ sind für alle Mitglieder verpflichtend, stellen aber vor allem Rechtsangleichungen dar und sind im Bezug auf ihre Ziele verbindlich; daneben aber gibt es Empfehlungen und Stellungnahmen, die lediglich allgemeine Orientierungen darstellen.
Außerdem schließt die EU internationale Verträge, nämlich Assoziierungsabkommen sowie Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit anderen Ländern und Verträge über die Aufnahme in den Europäischen Wirtschaftsraum, die für alle Mitglieder bindend sind. In der Regel werden die Aufgaben, die aus solchen Verträgen resultieren, von der EU selbst wahrgenommen. Beispiel dafür ist die Unterstützung bei der Einführung von Demokratie und Marktwirtschaft in den neuen demokratischen Staaten des Ostens.
Obwohl die EU aber umfangreiche Kompetenzen erhalten hat und ihre Zuständigkeiten weiter ausgebaut werden sollen, bleiben die Aufgaben, die damit verbunden sind, gemäß dem Subsidiaritätsprinzip des Maastrichter Vertrages, im wesentlichen den Mitgliedstaaten übertragen. Das heißt, daß die Rechtsakte, die die Union setzt, von den Mitgliedstaaten zu vollziehen sind. Insoweit bricht das europäische Recht nationales Recht. Die Europäische Kommission übt die Kontrolle über die Einhaltung europäischen Rechts aus. Für Streitfälle ist der Europäische Gerichtshof zuständig, der letztgültige Entscheidungen fällt.
Allerdings hat sich der Deutsche Bundestag eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Bezug auf „die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbarer Regelungen“ vorbehalten.[20] Für solche Fälle ist eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vonnöten.
Während also in manchen Aufgabenbereichen, zum Beispiel in der Agrarpolitik, die nationalen Aufgaben nur im Rahmen der europäischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen wahrgenommen werden können, ist in anderen, klassischen Hoheitsbereichen nur europäisches Zusammenwirken vorgesehen; dies betrifft vor allem die „zweite und dritte Säule des Maastrichter Vertrages“, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Kooperation in der Innen- und Rechtspolitik.
Insgesamt sind die Zuständigkeiten und Aufgaben, die aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union resultieren, wiederum zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.[21]
Brüssel, im April 1999
[1]Artikel 50 Grundgesetz: „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.“
[2]Geregelt in Artikel 71 und 73 Grundgesetz.
[3]Artikel 72 Grundgesetz im Wortlaut:
(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
(2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
(3) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.
[4]Nach Artikel 74 und 74a Grundgesetz.
[5]Nach Artikel 75 Grundgesetz.
[6]Nach Artikel 109, Absatz 3 Grundgesetz: „Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden.“
[7]Nach Artikel 91a, Absatz 2 Grundgesetz: „Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die Gemeinschaftsaufgaben näher bestimmt. Das Gesetz soll allgemeine Grundsätze für ihre Erfüllung enthalten.“
[8]Nach Artikel 140 Grundgesetz, in Verbindung mit Artikel 138, Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung.
[9]Nach Artikel 91b Grundgesetz: „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt.“
[10]Nach Artikel 91a Grundgesetz.
[11]Gemäß Artikel 87 Grundgesetz.
[12]Artikel 83 Grundgesetz: „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.“
[13]Nach Artikel 87 und 87b Grundgesetz.
[14]Im einzelnen ist diese durch den Maastrichter Vertrag überaus komplex entwickelte Materie in Artikel 23 Grundgesetz seit 1992 neu geregelt.
[15]Gemäß Artikel 83 bis 85 Grundgesetz.
[16]Gemäß Artikel 85 Grundgesetz.
[17]Artikel 83 Grundgesetz: „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.“
[18]Gemäß Artikel 92 Grundgesetz: „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“
[19]Gemäß Artikel 92 bis 96 Grundgesetz.
[20]Gemäß Artikel 23 Grundgesetz.
[21]Im einzelnen geregelt im 4. Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Agelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993.